Berlin. Sein Plan, seine Chancen, seine Leitkultur: Ist Friedrich Merz der nächste Kanzlerkandidat der Union? Was man jetzt wissen muss.

Friedrich Merz ist auf Betriebstemperatur. Die Mai-Sonne hat ihn braun gebrannt, auch in seinem Innern scheint gerade alles sonnig: „Die CDU hat einen Plan, die CDU ist wieder da“, ruft er seiner Partei am Montagmorgen beim Bundesparteitag der CDU in Berlin zu. Kritik am Parteichef? Zweifel an seinem Kurs? Mag es geben, juckt ihn aber nicht. Das ist das Signal.

„Man merkt Friedrich Merz an, wenn er sich sicher fühlt“, sagen sie in der Parteispitze. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn sich Merz angegriffen fühlt, geht sein Puls hoch. So, wie im vergangenen Jahr, als die Kritik an seinem konservativen Kurs und seinen ruppigen Provokationen immer lauter wurde und immer weniger auf Merz als künftigen Kanzlerkandidaten der Union wetten wollten. Da habe er vor lauter Ärger alles hinwerfen wollen, heißt es. Jetzt passiert ihm so etwas kaum noch. Selbst im liberalen CDU-Lager sagen heute deswegen viele: Wenn er will, dann wird er es. Zeit also für einen Kanzler-Check.

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Sein Plan

Drei Stufen hat der Merz-Plan auf dem Weg ins Kanzleramt. Stufe eins: Die Partei nach der desaströsen Bundestagswahl einigen und wieder aufrichten. Stufe zwei: Die CDU inhaltlich justieren und ein neues Grundsatzprogramm beschließen. Stufe drei: Die Truppe in den Wahlkampf führen und möglichst in die nächste Regierung. An diesem Montag ist Merz auf Stufe zwei angekommen. Beim Parteitag mit 1001 Delegierten in Berlin-Neukölln soll das neue Grundsatzprogramm verabschiedet werden. Am ersten Tag ging es aber erstmal um Merz selbst. Fast anderthalb Stunden Rede, fast zehn Minuten stehender Applaus, am Nachmittag wurde Merz dann mit einer Mehrheit von knapp 90 Prozent der Delegiertenstimmen im Amt bestätigt.

Merz will K-Frage nach Ost-Landtagswahlen klären

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    Sein Programm

    Zweimal war die Union in ihrer Geschichte in der Opposition – einmal 13 Jahre lang, einmal sieben Jahre, erinnert Merz die Delegierten und macht die Schultern breit: „Wir wollen die Zeit in der Opposition erneut halbieren.“ Die CDU könne „sofort und spätestens im nächsten Herbst Regierungsverantwortung übernehmen“. Merz ist an diesem Montag im Kanzlermodus. Freiheit und Frieden, Fleiß und Wohlstand – das ist das Merz-Mantra. 75 Jahre Grundgesetz, 50 Jahre davon mit der CDU als Regierungspartei, rechnet er vor. Er weiß, wie man die Seele einer Partei streichelt. Dazu gehört auch ein Hieb gegen die SPD und ihren Kanzler, der im Wahlkampf als Friedensstifter auftritt: „Frieden entsteht nicht allein durch Friedfertigkeit.“

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    Seine Chancen

    Die Union steht aktuell in die Umfragen bei 30 Prozent. Das ist deutlich besser als bei der letzten Bundestagswahl (24,1 Prozent), aber für die erfolgsverwöhnte Volkspartei auf Dauer zu wenig. Das Ziel lautet immer noch 40 Prozent plus. Was die persönliche Beliebtheit des Parteichefs angeht, könnte es ebenfalls aktuell deutlich besser laufen: Hendrik Wüst und Markus Söder, die beiden schwarzen Regierungschefs in Nordrhein-Westfalen und Bayern, liegen in den Politiker-Rankings regelmäßig vor Merz. Die Union will die Entscheidung über die K-Frage jedoch erst nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg klären. Hinzu kommt: Wüst macht derzeit nicht den Eindruck, dass er Merz (jetzt schon) vom Thron kippen will. Er betont gerne, dass er eine Aufgabe in NRW habe – „und alles andere sehen wir, wenn es dran ist“. Söder hat so viel Vertrauen verspielt, dass kaum noch jemand auf den CSU-Mann setzt. Trotz der durchwachsenen Umfragelage läuft also alles auf Merz hinaus.

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    Seine Leitkultur

    „Ja, wir sind wieder eine konservative Partei“, sagt Merz. Sichtbarstes Zeichen: Die CDU hat das Bekenntnis zu einer deutschen Leitkultur ins Grundsatzprogramm geschrieben – offen bleibt bislang aber, wie sie den umstrittenen Begriff füllen will: Religiöse Toleranz, Gleichberechtigung von Frauen und Männern – oder sogar solche traditionellen Rituale wie Weihnachtsbaumaufstellen und Händeschütteln? Selbst die Liberalen in der CDU tragen die Sache aber inzwischen mit: Es gebe ein Bedürfnis, nach Sicherheit und gemeinsamen Werten, heißt es. Merz liege in diesem Punkt grundsätzlich richtig.

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    Selbst im christlich-sozialen CDU-Milieu, das noch nie ein Merz-Fanclub war, loben sie den Chef im Moment: „Unter Friedrich Merz hat die Union eine gewisse Stärke zurückgewonnen“, sagt Karl-Josef Laumann. Der NRW-Minister ist seit Jahrzehnten so etwas wie das sozialpolitische Gewissen der CDU und soll jetzt den Bundesvorstand verstärken. „Die Leute haben wieder das Gefühl, dass wir einen Plan für Deutschland haben.“ Aber: Damit daraus auch eine Machtperspektive wird, rät Laumann dringend, die Partei auch sozialpolitisch breiter aufzustellen: Es dürfe der CDU unter Merz nicht nur um denjenigen gehen, der die Kreissparkasse leitet: „Wer morgens um fünf die Kreissparkasse putzt, ist auch ein Leistungsträger.“

    Seine Machtperspektive

    Um zu regieren, braucht Merz Partner – angesichts der Umfragen eher zwei als einen. Merz, der bürgerliche Sauerländer, fühlt sich, was die Chemie angeht, mit vielen der bürgerlichen Grünen wohler als mit den meisten Sozialdemokraten. Das Bild, das die Unionsspitze gerade mit Blick auf mögliche Koalitionen vermittelt, ist aber eher Wimmelbild als monochrome Fläche: Söder will nicht mit den Grünen, dafür aber mit der SPD. Generalsekretär Carsten Linnemann will am liebsten mit der FDP. Wüst lobt sein Regierungsbündnis mit den Grünen. Und Merz? Der übt sich auch hier in niedrigem Puls und hält sich die Sache offen. Noch ist ja nicht mal die K-Frage endgültig entschieden.

    NameFriedrich Merz
    Geburtsdatum11. November 1955
    AmtCDU-Vorsitzender
    ParteiCDU
    Parteimitglied seit1972
    FamilienstandVerheiratet, drei Kinder
    Größe1,98 Meter
    WohnortArnsberg